Change als Trauerfall
Wenn wir einen lieb gewonnenen Menschen verlieren, trauern wir. Und das sollten wir auch unbedingt tun! Es ist für die Seele zentral und unerlässlich – und im Idealfall gibt unser Umfeld uns auch (ausreichend?) Zeit dafür.
Was aber, wenn einem lieb gewonnene Prozesse und Strukturen genommen werden – ein Arbeitsschritt, eine Methode, die seit Jahren genau so jeden Tag zum eigenen Arbeitsalltag gehört? Dann wird erwartet, dass die Mitarbeitenden sofort umschalten, das Alte vergessen und sich positiv-freudig auf das Neue einlassen. „Out of the box“ nennen wir das dann, begleitet mit Sprüchen wie „Stillstand ist Rückschritt“ oder gut gemeint als Führungskraft „Sei doch mal offen für Neues!“
Keine Frage: Die Veränderung ist wichtig und unerlässlich. Und selbst wenn sie es nicht in jedem Einzelfall ist oder wäre – aufzuhalten ist sie in den wenigsten Fällen: Das (Arbeits-)Leben ist inzwischen ein permanenter „Change“. Wertfrei, erstmal als Feststellung.
Doch vielleicht müssen wir den Mitarbeitenden auch etwas mehr Raum und Zeit für „Trauerarbeit“ geben? Vielleicht ist die Reaktion des anderen gar nicht in erster Linie eine bewusste Abwehrhaltung gegen Neues, sondern eine Verlusterfahrung?
Wir Menschen binden uns nicht nur an andere Menschen, sondern auch an fast alle materiellen und immateriellen Entitäten, mit denen wir auf eine affirmative Art und Weise Zeit verbringen. Nicht selten bezeichnen Menschen ihre Projekte als „Baby“. Und wenn diesem Baby der Stecker gezogen wird, soll der Mitarbeitende am nächsten Tag wieder voller Elan, Energie und Motivation zur Arbeit antanzen.
Was also könnte helfen?
💡 Feingefühl in jedem Fall. Empathische Führungskräfte und Kollegen, Menschen, die echtes Interesse und Verständnis zeigen, dass es manchmal schmerzhaft sein kann, etwas gehen zu lassen.
📌 Ein offener Umgang damit und Akzeptanz. Die Möglichkeit, die Trauer zu zeigen und die eigenen Gefühle nicht verstecken zu müssen. Psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz, sicherlich ein Teil davon.
🎈 Aktives und bewusstes Aufarbeiten. Vielleicht ein Ritual zum Abschied. Nicht umsonst ist es im „echten“ Trauerfall von entscheidender Bedeutung, einen Menschen wirklich auch beerdigen zu können und dadurch „abschließen“ zu können.
Ein schönes Beispiel: Die Firma Ben & Jerry’s hat einen Friedhof. Hier werden einstmals beliebte Eissorten, die vom Markt genommen wurden, bewusst zu Grabe getragen. Darüber kann man schmunzeln oder es skurril finden – oder man macht sich ernsthaft Gedanken, ob da nicht eine gute Inspiration drin liegt, den eigenen Umgang mit Change zu hinterfragen.
Autor: Johanna van Staa
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